Zukunftsinvestitionen

An der Börse interessiert nicht die aktuelle Lage einer Firma, sondern welche Zukunft ihr vorausgesagt wird. Paradebeispiel hierfür ist die rasante Entwicklung einiger Aktien aus dem Softwarebereich. Weniger ein status quo sondern phantasievolle Prognosen bestimmen das Handeln, sofern sie etwas Neues und Erfolgreiches in Aussicht stellen. Nach einem ähnlichen Muster werden auch Entscheidungen über die Einführung neuer Computertechnik getroffen. Sie sind stets ein Stück weit irrational. Schließlich liegen Untersuchungen über den Nutzen neuer Hard- und Software in der Regel erst vor, wenn sie überholt sind.
Entscheidend sind also vor allem die Erwartungen, die das Marketing der neuen Medien weckt. Ihr Erfolgsgeheimnis besteht allerdings darin, alte Strukturen aufzubrechen und sich bei ihrer Reorganisation unentbehrlich zu machen. “Der Speer, der die Wunde schlägt, muß sie auch schließen!”, lautet ihr Motto. Sie bieten Lösungen für Probleme, die erst von ihnen geschaffen wurden.

So steht uns mit den Computernetzen die Globalisierung der ökonomischen, aber auch sozialen und politischen Gefüge ins Haus. Diese Herausforderungen bewältigen – so scheint es -, können wir nur mit Hilfe der Medientechnik. Höchstens noch im privaten Bereich mag man der Devise folgen “Never change a running system”, d.h. liebgewonnener Technik die Treue halten. Unternehmen aber stehen unter dem Zwang, sich der Entwicklung anzupassen. Sie müssen die neuen Errungenschaften möglichst effizient einsetzen. Die Not permanenter Restrukturierung verwandeln sie im Idealfall in die fragwürdige Tugend stetiger Produktinnovation. Denn auf dem Markt hat ja nur eine Chance, was neu ist oder erscheint. Der bekannte Slogan “Where do you want to go today?” ist insofern die richtige, wenn auch bloß eine rein rhetorische Frage. Denn die Antwort lautet tatsächlich – darauf spekulieren die Mediengiganten zu Recht -: “Ins Unbekannte.”

© 1996 Dirk de Pol; © 1996 Der Tagesspiegel

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