Der böse Blick

Unter den vielen Schülern Freuds hat es nicht wenige gegeben, die sich bemüht haben neue, weniger technizistische Metaphern für die Beschreibung der psychischen Vorgänge zu finden. Die von ihnen vorgeschlagenen Metaphern sind besonders dann ein glücklicher Fund, wenn sie sich durch eine größere Nähe zum zu beschreibenden Vorgang auszeichnen und so ihren stets auch metapsychologischen Status vergessen machen. Wenn das mit einer glücklich gewählten Metapher gelingt, spricht man von einer Realmetapher. So ist etwa die Sonne zugleich Quelle und treffliche Metapher des Lichts.

Der französisches Psychoanalytiker Jacques Lacan, der sehr kreativ mit der analytischen Tradition umging, versucht in seinem Werk die „Vier Grundbegriffe der Psychoanalyse“ die technizistische Metaphorik des Übervaters Sigmund Freud vom Kopf auf die Füße zu stellen. Nach Lacan konstituiert der Blick und das Auge das Psychische. Bei Blick und Auge handele es sich dabei um Realmetaphern, deren Einsatz als Metapher sich jedoch der Verdrängung ihrer konstitutiven Funktion verdankt.

„Auge ist nur die Metapher für etwas, was ich lieber das Sprießen des Sehenden … nennen sollte, etwas von vor seinem Auge.  … die Präexistenz eines Blicks – ich sehe nur von einem Punkt aus, bin aber in meiner Existenz von überall her erblickt,“ konstatiert Lacan.  Lacan formuliert damit eine für uns als Menschen konstitutive Präexistenz der Blicke des Anderen und der Anderen. In Bezug auf das Andere müssen wir jedoch die Bedeutung von „blicken“ reduzieren auf „angestrahlt“ werden, nämlich von den Lichtwellen, die die Dinge reflektieren. Lacan führt diese Idee dann noch viel weiter:

„Der Blick erscheint für uns allein in Form einer befremdlichen Kontingenz, Symbol dessen, was wir in unserem Gesichtskreis finden, gestoßen gleichsam durch unsere Erfahrung: jener konstitutive manque/Fehl der Kastrationsangst. Auge und Blick, dies ist für uns die Spaltung, in der sich der Trieb auf der Ebene des Sehfeldes manifestiert.“

Was aber ist am Blick so gefährlich? Wir begehren, vom Anderen begehrt zu werden. Im Blick manifestiert sich das Begehren des Anderen. Die ursprüngliche Form des aggressiven Blicks ist, Lacan zufolge, der neidische Blick. Das Kind, das neidisch sein Geschwister betrachtet, habe eigentlich kein Verlangen, an der Brust der Mutter zu liegen. Das, was den Neid weckt, ist vielmehr das Bild einer in sich geschlossenen Erfüllung. Der Gegenstand der Erfüllung, hier die Brust, wird zu einem abgetrennten Objekt a, an dem sich ein anderer befriedigt. Das Bild dieser in sich geschlossenen Erfüllung wirft uns auf unseren eigenen Mangel zurück.

Der Blick ist nach Lacan immer ein böser Blick, wenn er uns in unserer Betrachtung stocken lässt und damit das Leben gleichsam einfriert. Der böse Blick bringe Krankheiten und Unglück mit sich. Lacan überzieht den Gedanken sogar so weit zu sagen , dass der Blick ursprünglich niemals Heil bringe. Es gebe zwar auch einen guten Blick, aber dieser diene nur als homöopathischer Abwehrzauber.

Darin liegt unausgesprochen, dass es keinen neutralen Blick gibt.

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